Matthias
Matthias erkennt, dass die Verherrlichung des Stammapostelamtes und des Apostelamtes in der Neuapostolischen Kirche (NAK) unbiblisch ist. Die Exklusivitätsansprüche und die für ihn unerträglichen Huldigungen an die Apostel veranlassen ihn schließlich, die Neuapostolische Kirche zu verlassen. Für Matthias ist klar, einmal neuapostolisch bedeutet nicht automatisch immer apostolisch!
mir ist bewusst, dass diese Anrede merkwürdig ist, aber in der Region, wo ich herkomme, gibt es drei verschiedene Begrüßungen.
Bevor ich mein Zeugnis hier niederschreibe, möchte ich hier doppelt betonen, dass meine neuapostolischen Geschwister, ja, das sind sie noch, hier nicht kritisiert werden. Sie sind mir nach wie vor immer noch sehr wichtig und ich habe auch noch regelmäßig Kontakt mit ihnen. Sie sind äußerst wertvolle Menschen aber leider in einer Sekte gefangen. Ich weiß wie schwierig es ist aus dieser Gemeinschaft auszuscheiden, zu konvertieren und sein bisheriges Leben hinter sich zu lassen. In meinem Bericht kritisiere ich lediglich die Leitung der Neuapostolischen Kirche und deren Irrlehren, Entschuldigung, ich meine natürlich ihre Apostellehre.
Meine Familie ist, genauer gesagt war eine NAK-Familie, sehr stolz auf ihre „Erwählung“. In der Familie waren auch verschieden Amtsstufen anzutreffen. Schon seit fünf Generationen sind wir neuapostolisch und haben auch mit dazu beigetragen, dass die NAK so groß werden konnte. Dafür entschuldige ich mich.
Bei mir selbst ist lediglich der typische NAK-Lebenslauf anzutreffen.
Ich denke verschiedene Mitglieder der NAK finden sich in dem Standardlebenslauf wieder.
Ich habe die NAK nie hinterfragt, warum denn auch? Uns wurde doch ständig gesagt, dass wir die „Auserwählten“ sind, dass wir den „einzig wahren Glauben“ haben. Da uns ein Apostel die Hand aufgelegt hat, sind wir auch die einzigen die den Heiligen Geist haben. Warum sollte ich mich mit einem anderen Glauben beschäftigen?
Als ich ungefähr 17 Jahre alt war, hat mein Vater angefangen, auch mal andere Glaubensgemeinschaften zu besuchen und deren Lehre zu überprüfen. Hier wurde in meiner Familie ein „riesen Drama“ daraus gemacht, es wurde vertuscht und nur Halbwahrheiten an meine Brüder und an mich weitergegeben. Vielleicht um uns zu beschützen, vielleicht aber auch nur, damit wir noch als eine „treue NAK-Familie“ gelten würden.
Bei mir kam aber die Frage auf: „Was macht eigentlich mein Vater?“ „Ich will mal mitgehen und nur mal schauen!“
Mein erster Gottesdienst außerhalb der NAK war in der VAG („Vereinigte Apostolische Gemeinden“). Könnt ihr euch vorstellen wie man sich hier fühlt, wenn man auf einmal vor einer anderen Kirche steht und einen anderen Gottesdienst besuchen wird?
Mir schossen verschiedene Gedanken durch den Kopf:
Ich kann euch nur eines sagen, ich will dieses Gefühl nie wiederhaben. Ich war aufgeregt, mein Herz schlug wahnsinnig, ich hatte ein schlechtes Gewissen und das schlimmste waren die eigenen Vorwürfe. „Bis jetzt war ich in jeder Situation treu und jetzt bin ich der Judas, der Gott verlässt und verrät!“ Mir ging es unglaublich schlecht in dieser Situation. Aber ich habe es ja meinem Vater versprochen.
Umso erstaunlicher war, dass es ein guter Gottesdienst war. Es war ein christlicher Gottesdienst. Ich bin fröhlich aus dem Gottesdienst gegangen. Das war so toll, dass ich danach einmal im Monat unterschiedliche andere Glaubensgemeinschaften aufgesucht habe. Die großen Glaubensgemeinschaften, aber auch die kleinen „Exoten“. Mal waren gute Gottesdienste dabei, aber es waren auch mal Gottesdienste dabei, die mich zum Beten gebracht haben: „Lass mich doch diesen Gottesdienst wieder vergessen können!“ Es kam auch hin und wieder der Gedanke: „Im Bett hätte ich einen tieferen Schlaf gehabt!“
Da ich nur einmal im Monat eine andere Glaubensgemeinschaft besucht habe, war die NAK immer noch meine Heimat. Auch hier waren selten mal gute Gottesdienste dabei. Meine Hauptmotivation in die NAK zu gehen, war mein Freundeskreis. Diese Phase ging sehr lange, ca. 12 Jahre. Natürlich hat es sich auch herumgesprochen, dass mein Vater und ich regelmäßig andere Glaubensgemeinschaften besuchen. Nein, ich lebe schon seit Längerem nicht mehr im Haus meiner Eltern.
Ich kann mich noch an einen Gottesdienst erinnern, da wurde von unserem neuapostolischem Apostel davor gewarnt, dass das „Patchwork-Christentum“ nichts Gutes bringt, dass man sich von der Kirche entfernt und somit auch von Gott. Andere Glaubensgemeinschaften können nicht das bieten, was die NAK hat. Wir haben auch durch die Handauflegung durch einen lebenden Apostel den Heiligen Geist empfangen und wir dürfen dieses Erbe nicht leichtfertig verlieren, indem wir andere Glaubensgemeinschaften besuchen.
Meine Erkenntnis zum Heiligen Geist: „Nein, der Heilige Geist darf nicht zur Beute einer Religionsgemeinschaft werden, weder von einem Apostel noch von den Gläubigen!“ Natürlich wurden vom Altar keine Namen genannt, dennoch wusste jeder wer gemeint war. – Mein Vater und ich. Auch dies ist kein schönes Gefühl, wenn man an den Pranger gestellt wird.
Hier stellt sich mir aber eine allgemeine Frage: „Warum lässt man die NAK, die aktiv gegen andere Glaubensgemeinschaften vorgeht und ein falsches Zeugnis bringt, in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) den Gaststatus erreichen?“ Bitte nicht falsch verstehen: Wegen meiner Freunde und auch Geschwistern in der NAK möchte ich gerne, dass auch sie an der ökumenischen Entwicklung teilhaben.
Die Neuapostolische Kirche kann hier viel lernen und von der ACK ist dies auch ein sehr christliches Verhalten, dass sie diese Sekte teilhaben lässt. Ich verstehe es aber nicht. Ich weiß aber, dass diese Frage in meinem Zeugnis nur eine Randnotiz ist und daher lasse ich die Frage nun offen im Raum stehen.
Aber was die Apostelgottesdienste angeht, das ist sowieso ein ganz anderes Thema. Immer wenn ein Apostelgottesdienst war, wurde der Inhalt des Gottesdienstes im folgenden Gottesdienst von einem Vorsteher oder Priester wiederholt. Ich nenne diese Dienste „Remake-Aposteldienste“.
Ich weiß noch einen Gottesdienst, ähhhh Götzendienst, den unser Bezirksevangelist gehalten hat. Es kamen die Begriffe Stammapostel 4x, Bezirksapostel 2x und Apostel 14x vor. Jesus wurde gar nicht erwähnt. In der NAK ist Jesus nicht zwingend notwendig, es genügen deren Apostel. Ja, es geht auch ohne Jesus bei der NAK!
Ich empfand diesen Personenkult schon lange als widerwärtig und dieser gipfelte dann im EJT 2009 (europäischer Jugendtag).
Als ich in das Stadion ging, hörte ich schon im Eingangsbereich die Jugendlichen feiern. Diese Freude war so ansteckend und ich war begeistert, dass die Jugendlichen sich selbst feiern. An meinem Sitzplatz angekommen, habe ich mich nicht mehr gefreut. Dort habe ich gesehen, warum sie so feiern. Nach und nach hat man verschiedene Bezirksapostel und Apostel auf den Leinwänden eingespielt. Anhand der Lippenbewegungen dieser Apostel konnte man erkennen, dass sie eigentlich den Jugendlichen ein schönes Wochenende wünschen, viel Segen, viel Gnade. Man hat aber nichts verstanden. Immer wenn ein neuer Apostel eingeblendet wurde, war ein Jubelschrei zu vernehmen und die Laola-Welle fing wieder von vorne an. Es wurde nicht das gesprochene Wort gefeiert, sondern der Mensch.
Die Beweihräucherung der Apostel war an diesem Wochenende allgegenwärtig.
Mir ist es schon lange übel aufgestoßen, dass die Sündenvergebung vor dem „Heiligen Abendmahl“ mit den Worten gesprochen wird: „Im Auftrag meines Senders des Apostels, sind euch die Sünden vergeben! Hier bezieht die NAK sich auf die Bibelstelle Joh. 20,23: „Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.“
Aber im Vers 19 kann man lesen, dass nicht nur Apostel da waren, sondern auch seine Jünger. Mit Jüngern ist in der Bibel jeder Nachfolger von Jesus Christus gemeint. Außerdem war bei dieser Versammlung der Apostel Judas schon nicht mehr dabei, da er sich selbst gerichtet hatte. Auch Apostel Thomas war nicht dabei. Heißt das, dass Thomas die Sünden nicht vergeben kann? Heißt das, dass die Jünger im Gegensatz dazu doch die Sünden vergeben können?
Als ob die obligatorische Sündenvergebung im Namen der Apostel noch nicht genug Alleinstellungspotential hätte, wurde eine neue Regel zur Beweihräucherung der NAK-Apostel eingeführt. Auszug aus dem neuapostolischen Katechismus: 8.2.9: Wer auf Dauer am Heiligen Abendmahl in der Neuapostolischen Kirche teilnimmt, sollte sich bewusst sein, dass er damit öffentlich sein Bekenntnis zum Glauben an Wirken und Vollmacht der heute tätigen Apostel Jesu zum Ausdruck bringt (siehe 2.4 und 8.2.21).
Jetzt sind wir im 1. Korinther 11, 23-27: „Ich habe es von dem Herren empfangen, das ich euch gegeben habe. Denn der Herr Jesus in der Nacht, da er verraten ward, nahm das Brot, dankte und brach’s und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; solches tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Abendmahl und sprach: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut; solches tut, so oft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr von diesem Brot esset und von diesem Kelch trinket, sollt ihr des Herren Tod verkündigen bis dass er kommt. Welcher nun unwürdig von diesem Brot isset oder von dem Kelch des Herrn trinket, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn.“
Wir sind hier aufgefordert, ihm 2x zu gedenken und wir sollen hiermit seinen Tod verkündigen aber auch seine Wiederauferstehung. Ich für meinen Teil lege aber auch großen Wert auf den Vers 27. Ich will ihn hier noch mal schreiben: „Welcher nun unwürdig von diesem Brot isset oder von dem Kelch des Herrn trinket, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn.“ Wenn wir nun ein Glaubensbekenntnis auf die Apostel abgeben, sind wir dann schuldig am Blut Jesu Christi?
Hier fordert uns die NAK-Kirchenleitung im Gegensatz zur Heiligen Schrift auf, eher den Apostel zu huldigen als Jesus Christus!
Wie oft müssen wir noch Jesus Christus ans Kreuz nageln, bevor wir erkennen, dass er schon längst für uns gestorben ist? Hier ist der Satz, mit dem ich meinen Bruch mit der NAK besiegelt habe: „Nein, ich werde nicht zum Mörder an Jesus Christus, indem ich dem goldenen Kalb im schwarzen Kittel ein Speiseopfer bringe!“
Eine negative Folge hat aber mein Austritt aus der NAK. Immer wenn ich das Abendmahl in anderen Gemeinschaften genieße, hat es aber nun auch die Bedeutung der Trennung für mich. Ich habe meine Freunde meine Geschwister in der NAK verlassen. Ich feiere mit diesen wichtigen Personen nicht mehr das Abendmahl, das Gedächtnismahl. Aber, immer wenn ich das Abendmahl feiere, ist dies nun ein sehr emotionaler Moment für mich und bedeutet mir dadurch natürlich viel mehr. Auch, wenn es mit einem gewissen Schmerz verbunden ist.
Fazit: Man kann meinen Bruch mit der NAK mit dem Vers Joh.13, 16 Lutherübersetzung 1912 zusammenfassen: „Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Der Knecht ist nicht größer denn sein Herr, noch der Apostel größer denn der ihn gesandt hat.“
Eigentlich ist die Hauptgeschichte vorbei, aber jeder, der diesen Bericht liest, möchte ich aus eigener Erfahrung nahelegen: „Such dir eine Gemeinschaft!“. Ich habe eine WhatsApp-Gruppe erstellt: „Der Patchwork-Christ“ In dieser Gruppe waren nur Mitglieder der NAK. Ich wollte ihnen die große Welt des Christentums zeigen. Diese Gruppe ist ziemlich gefloppt. Aber mein Weg muss nicht der Weg von Anderen sein.
Eine ganze Zeit lang lag ich am Sonntag im Bett. Aber mir fehlte etwas, ohne Glauben durchlebt man eine große „Durststrecke“. Bitte nicht falsch verstehen, eine Gemeinschaft ist nicht ausschlaggebend für den Glauben. Der Glaube lebt aber durch den Austausch mit Mitmenschen. Durch die Gemeinschaft erlebt man den Glauben intensiver. Dann bin ich mal in die eine Gemeinschaft und dann wieder in eine andere Gemeinschaft gegangen. Ich war also wieder nur ein „Patchwork-Christ“, aber ein „heimatloser Patchwork-Christ“.
Eines Tages habe ich mir gedacht, morgen nehme ich die Kirche, welche am nächsten zu meiner Wohnung ist. Der Gottesdienst war phänomenal. Ein Gottesdienst, der nur auf der Bibel basierte – ohne menschliche Irrlehren. Genau das, was ich wollte. Auch hier waren manche Gottesdienste besser als andere. Aber ich bin in diese Gemeinschaft regelmäßig gegangen. Ich hatte hier so viele persönliche Glaubenserlebnisse, die eigentlich unbeschreiblich sind. Ich möchte dies hier nicht teilen, da dies persönliche Glaubenserlebnisse waren und ich möchte mich an dieser Stelle nicht so sehr öffnen. Mein Fazit ist aber, dass ich in dieser Gemeinschaft auch aktiv bin. Nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Ich darf bei einem Hauskreis dabei sein, welcher schon zu einem Freundeskreis geworden ist. Wir lachen aber weinen auch miteinander. Zusätzlich macht es mir Freude, an der Gestaltung der Kindergottesdienste mitzuwirken. Aber das wichtigste ist, es wird Jesulehre gepredigt und nicht die Apostellehre.
Lieber NAK-Bruder, liebe NAK-Schwester: Habe den Mut dich umzusehen und gehörte und gepredigte Kirchenlehre auf den Prüfstand der Heilige Schrift und der Lehre Jesu zu stellen. Du bist wertvoll und auch du wirst eine Gemeinschaft in Jesus Christus finden, die dich aufnehmen wird. Eine Gemeinschaft, welche nicht auf deine Vergangenheit sieht, welche dich voll akzeptiert, genauso wie du bist. Noch hast du Zeit, dich von den „Goldenen Kälber in schwarzen Kitteln“ zu lösen und Jesus Christus nachzufolgen.
Wenn du Zweifel hast und nicht mit deinen jetzigen Brüdern und Schwestern reden willst, hinterlege ich dem www.nak-info Team meine Telefonnummer. Du kannst hier in absoluter Anonymität mit mir reden. Ich werde dir zuhören, aber keine Tipps geben in welche Glaubensgemeinschaft du gehen sollst. Mein Weg muss nicht dein Weg sein. Aber die NAK sollte, solange der Begriff „Apostellehre“ existiert nicht dein Weg sein.
Pfüadi (allgäuerisch für „Behüt dich Gott!“)
Dein Bruder
Matthias
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