Neuapostolische Kirche – Versiegelung & Heiliger Geist. Die Neuapostolische Kirche führte als zentralen Bestandteil ihrer Glaubenslehre das Sakrament der Versiegelung ein, während der Versiegelung soll dem Gläubigen der Heilige Geist „gespendet“ werden. Was lehrt und praktiziert die Neuapostolische Kirche bezüglich Versiegelung und Empfang des Heiligen Geistes darüber hinaus? Im Anschluss an diesen Artikel finden Sie noch ein Interview mit einem echten Apostel des Herrn zu diesem Thema.
Nach der Lehre der Neuapostolischen Kirche können Menschen nur durch Handauflegung und Gebet eines lebenden Apostels den Heiligen Geist (Versiegelung) empfangen. Diese Empfangnahme wird gleichgesetzt mit der Versiegelung. Aus dem Buch Fragen und Antworten: „Welche Aufgaben haben die Apostel“ Antwort: „mit dem Heiligen Geist zu versiegeln“ – Frage 180 1a): „Wie empfingen die ersten Christen den Heiligen Geist?“ Antwort: „Durch Gebet und Handauflegung der Apostel wurden die ersten Christen, mit dem Heiligen Geist versiegelt. Der Hauptmann Kornelius und seine Angehörigen empfingen den Heiligen Geist ohne Handauflegung, aber in Gegenwart des Apostels Petrus. Gott machte diese Ausnahme, um dem Apostel zu zeigen, dass auch Heiden des Heiligen Geistes teilhaftig werden können.“ – Frage 219 1b) „Wer spendet den Heiligen Geist in unserer Zeit?“ Antwort: „Wie in der Urkirche sind auch in der Neuapostolischen Kirche die Apostel Jesu tätig, den Heiligen Geist zu spenden.“ – Frage 220: 1b)
Die Heilige Schrift ist das Zeugnis dafür, dass der Mensch auf mindestens drei verschiedene Wege den Heiligen Geist empfangen können:
– Erstens durch Handauflegung eines Apostels
– Zweitens durch Handauflegung und Gebet eines einfachen Jüngers
– Drittens durch das Herniederfallen des Geistes auf die Gläubigen
Immer aber ist Gott, der Spender des Heiligen Geistes.
Tatsächlich konnten in den Urgemeinden die Apostel, durch das Auflegen ihrer Hände und Gebet, die Empfangnahme des Heiligen Geistes bei den Gläubigen bewirken: „und als Paulus ihnen die Hände aufgelegt hatte, kam der Heilige Geist auf sie, und sie redeten in Sprachen und weissagten“ (Apg. 19, 6). Weitere Stellen: Apg. 8,18 und Apg. 19, 6.
Daraus kann aber nicht zwangsweise geschlossen werden, dass ausschließlich Apostel den Heiligen Geist spenden können, denn auch ein einfacher Jünger legte dem Saulus die Hände auf und betete über ihm. Während dieser Handlung empfing Saulus den Heiligen Geist und wurde wieder sehend. Es ist von dem Jünger Hananias die Rede, von dem nirgends in der Bibel berichtet wird, dass er ein Apostel war. Hier nahm sich der Herr einen einfachen Jünger als Werkzeug: „Es war aber ein Jünger in Damaskus, mit Namen Hananias; und der Herr sprach zu ihm in einer Erscheinung: Hananias! Er aber sprach: Siehe, <hier bin> ich, Herr“ – Apg. 9, 10
„Hananias aber ging hin und kam in das Haus; und er legte ihm die Hände auf und sprach: Bruder Saul, der Herr hat mich gesandt, Jesus – der dir erschienen ist auf dem Weg, den du kamst – damit du wieder sehend und mit heiligem Geist erfüllt werdest. Und sogleich fiel es wie Schuppen von seinen Augen, und er wurde sehend und stand auf und ließ sich taufen“. – Apg. 9, 17f
Die dritte Möglichkeit den Heiligen Geist zu empfangen ist in Apostelgeschichte 10, 44 beschrieben: „Während Petrus noch diese Worte redete, fiel der Heilige Geist auf alle, die das Wort hörten.“ Die Apg 8,18: „denn er war noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren allein getauft auf den Namen des Herrn Jesus.“ zeigt uns, dass das Auflegen der Hände der Apostel keineswegs die einzig übliche Art war den Heiligen Geist zu empfangen. Wenn dies so wäre, wie es die Neuapostolische Kirche behauptet (Frage und Antworten, Frage 2191b), würde uns der Schreiber der Apostelgeschichte sicher nicht darauf aufmerksam machen, dass der Geist noch nicht auf die gefallen war, die das Wort angenommen hatten, sondern würde es nicht erwähnen, da dies ja nicht vorgesehen war.
Wir sehen also, nicht nur durch Apostel hat der Herr den Gläubigen Seelen den Heiligen Geist gesendet. Er legt sich also nicht auf eine Methode fest, sondern bedient sich unterschiedlicher Mittel um sein Vorhaben, die Gläubigen mit dem Geist auszurüsten, umzusetzen. Darüber hinaus würde die Kanalisierung der Spendung des Geistes nur durch Apostel, dem freien Wirken des Heiligen Geistes als Teil der Dreieinigkeit Gottes zuwiderlaufen. Christus selbst sagte dazu: „Der Wind weht, wo er will, und du hörst sein Sausen, aber du weißt nicht, woher er kommt und wohin er geht; so ist jeder, der aus dem Geist geboren ist.“– Joh. 3, 8. Mir ist keine Bibelstelle bekannt, aus der hervorgeht, dass der Heilige Geist ausschließlich durch Apostel gespendet wird bzw. werden soll. Auch die ersten Apostel nahmen dies für sich selbst nicht in Anspruch. Ansonsten hätte Petrus die Vorgänge im Hause des Kornelius wohl auch nicht als göttlich anerkannt.
In der Neuapostolischen Kirche wird die Versiegelung mit der Spendung des Heiligen Geistes gleichgesetzt. Es wird nicht differenziert zwischen Spendung des Geistes und daraus erfolgender Versiegelung Gottes. Nur Gott der Herr kann versiegeln und nicht der Mensch: „Der uns aber mit euch festigt in Christus und uns gesalbt hat, ist Gott, der uns auch versiegelt und das Unterpfand des Geistes in unsere Herzen gegeben hat.“ – 2. Kor 1, 21f „Der uns aber eben hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des Geistes gegeben hat“ – 2. Kor. 5, 5 „Deshalb nun, wer verwirft, verwirft nicht einen Menschen, sondern Gott, der auch seinen Heiligen Geist in euch gibt“ – 1. Thess. 4, 8
Gott gibt also den Heiligen Geist und versiegelt die Gläubigen auf unterschiedliche Weise, er ist nicht festgelegt auf ein Schema.
In der Neuapostolischen Kirche soll der Mensch bereits nach der Geburt als Säugling den Heiligen Geist empfangen. Dies gilt für Kinder, die in die Gemeinschaft hineingeboren werden, deren Eltern also bereits neuapostolisch sind. Ein Mensch also, der noch nicht Glauben kann, der noch nicht das Wort gehört hat und der das Evangelium in noch nicht in dem Maße ergreifen kann, dass er sich bewusst zu Christus bekehren könne. Auch zum neuapostolischen Glauben konvertierte Erwachsene sollen, wenn sie die Lehre der Neuapostolischen Kirche als die reine ‚Jesulehre‘ und die heutigen Apostel als die Repräsentanten Christi auf Erden anerkennen, durch Handauflegung den Heiligen Geist empfangen und durch diese Handlung versiegelt werden.
„Nur dies will ich von euch wissen: Habt ihr den Geist aus Gesetzeswerken empfangen oder aus der Kunde des Glaubens?“ – Gal. 3, 2
„In ihm <seid> auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, gehört habt und gläubig geworden seid, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung“ – Eph. 1, 13
Weiter Stellen: Gal. 3, 5; Gal. 3, 14
Wesentlich für den Empfang des Heiligen Geistes ist der Glaube, das wird in den oben genannten und in vielen anderen Textstellen deutlich. Erst muss das Wort der Wahrheit, das Evangelium Jesu Christi mit seiner rettenden Wirkung, vom Menschen gehört worden sein. Erst wenn er dann gläubig geworden ist, wird ihm das Heil zuteil. Er empfängt den Geist Gottes und wird von Gott versiegelt. Auch hier ist, wie bei der Sündenvergebung, der Glaube das Wesentliche, der Glaube an unseren Herrn Jesu Christi und nicht an die Apostel.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts soll in Schottland und England erneut, wie einst zu Pfingsten, der Heilige Geist ausgegossen worden sein. Die Neuapostolische Kirche beruft sich hierbei unter anderem auf die alttestamentliche Metapher des Spätregens (z.B. in „Göttliche Verheißungen und ihre Erfüllungen“ 2).
„So lasst uns <ihn> erkennen, <ja,> lasst uns nachjagen der Erkenntnis des Herrn! Sicher wie die Morgenröte ist sein Hervortreten. Er kommt wie der Regen <zu> uns, wie der Spätregen, der die Erde benetzt.“ – Hos. 6, 3
„Und ihr, Söhne Zions, jubelt und freut euch im Herrn, eurem Gott! Denn er gibt euch den Frühregen nach <dem Maß> der Gerechtigkeit, und er läßt euch Regen herabkommen: Frühregen und Spätregen wie früher“ – Joel 2, 23
Der Vers Joel 2, 23 kann sich nur auf eine Zeit vor Pfingsten beziehen, denn in Joel 3, 1 steht: „Und danach wird es geschehen… „. Also ist Joel 3, 1 die Vorankündigung der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten. Petrus bezieht sich auf diese Prophetie des alten Bundes: „Und es wird geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, dass ich von meinem Geist ausgießen werde auf alles Fleisch, und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, und eure jungen Männer werden Gesichte sehen, und eure Ältesten werden Traumgesichte haben“ – Apg 2,17 Der Wortlaut deckt sich weitgehend mit Joel 3,1: “ Und danach wird es geschehen, dass ich meinen Geist ausgießen werde über alles Fleisch. Und eure Söhne und eure Töchter werden weissagen, eure Greise werden Träume haben, eure jungen Männer werden Gesichte sehen.“
Wir sehen also, dass sich der Spätregen in Joel 2, 23 nicht auf eine „zweite“ Ausgießung des Heiligen Geistes nach Pfingsten beziehen kann. Es handelt sich hierbei um die Ankündigung der wiederhergestellten Fruchtbarkeit des Ackerlandes. Der Kommentar zur Bibel 3a) stellt dies wie folgt dar: „In Israel hängt die Fruchtbarkeit des Bodens von der winterlichen Niederschlagsmenge ab. Der Frühregen fiel im Oktober und November während der Aussaat und der noch kostbarere Spätregen im März und April, wenn das Korn zu schwellen begann kurz vor Beginn der sengenden Sommerhitze“
Hosea 6, 3 steht nicht in einem Zusammenhang mit der Ausgießung des Heiligen Geistes. In diesen Kapiteln geht es um die Unmöglichkeit wahrer Reue und der Langmut Gottes 3b)
Wenn der Herr so klar die Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten ankündigt wie in Joel 3, 1 ; in Jes. 44, 3 oder in Hes. 39, 29, warum sollte er dann ein so fundamental wichtigem Ereignis wie die zweiten Ausgießung durch eine Metapher ankündigen? Gott kündigte wichtige Ereignisse stets mindestens im sinngemäßen Wortlaut an. Zum Beispiel die Geburt des Messias, sogar die relative Kleinigkeit des Geburtsortes (Micha 5, 1) oder, dass er von Weisen beschenkt werden würde (Psalm 72, 10) gab er vorher nicht nur als Metapher, sondern sogar wortwörtlich bekannt. Viele Einzelheiten des Leidens Christ, die Kreuzigung, die Auferstehung, die Himmelfahrt kündigte der Herr durch klare Prophetien an. Ausgerechnet eine – für neuapostolische Gläubige so wichtige – zweite Ausgießung des Heiligen Geistes, verbunden mit der erneuten Aussonderung von echten Aposteln ‚zur Wiederherstellung seines Erlösungswerkes‘ soll durch eine bildhafte Darstellung von Gott angekündigt worden sein?
Es ist unzweifelhaft, dass es in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Wirkungen des Heiligen Geistes während der Erweckungsbewegung gegeben hat, in der sich viele Menschen zu JESUS CHRISTUS bekehrt haben. Auch entsprechend viele Versammlungen und Gemeinden in dieser Zeit. Zeitzeugen berichten in ihren Niederschriften von Weissagungen, Krankenheilungen und Zungenrede. Diese Wirkungen soll es aber bereits im 17./18. Jahrhundert unter den verfolgten Hugenotten gegeben habe. 4a) Dort waren aufrichtige Menschen, die sich mit der Frage nach dem Willen Gottes beschäftigt haben und sich nach dem Heiligen Geist sehnten und um ihn gebeten haben. Sie haben ihn zum Teil auch empfangen, durch Ausgießung, wie einst die Gläubigen im Hause des Kornelius.
Weissagungen und Krankenheilungen soll es auch in der katholisch-apostolischen Bewegung gegeben haben, deren Entstehung – wie die der Mormonen, der Siebenten- Tags Adventisten und der sogenannten Chrisitliche Wissenschaft (Christian Science )- in diesen Zeitraum viel.
Form über die Gläubigen ausgegossen wurde, vergleichbar wäre: „Und plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, als führe ein gewaltiger Wind daher, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. -Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden einzelnen von ihnen. –Und sie wurden alle mit heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“ – Apg. 2, 2f
John Bate Cardale, später Apostel der katholisch Apostolischen Bewegung
„Der Albury-Kreis beschäftigte sich 1830 mit den schottischen Ereignissen. Ein Mitglied, der Londoner Rechtsanwalt John Bate Cardale, veröffentlichte in der seit I829 bestehenden Quartalsschrift des Kreises »The Morning Watch« einen sehr positiven Bericht über seine Erfahrungen: »Man erkennt an diesen Menschen, dass sie unter einer übernatürlichen Führung stehen, ob sie nun unbekannte Laute von sich geben oder geisterfüllt in ihrer eigenen Sprache reden. Ihr Benehmen und Reden unterscheidet sich, allgemein gesprochen, von ihrem normalen Verhalten. Es scheint, als würden ihre Organe von einer übernatürlichen Macht benützt, und sie selbst erklären, dass es der Heilige Geist sei.« Dabei sind sie »völlig frei von jeglichem Fanatismus oder Enthusiasmus«, vertreten keine fanatische Theologie und »sind alles andere als Sektierer«. Auch Cardales junge Frau, in ihrem Wesen allem Enthusiastischen abgeneigt, »sprach sehr feierlich drei Sätze in einer unbekannten Sprache und fügte dann drei englische Sätze als Übersetzung hinzu«“ 5)
John Nelson Darby, Begründer der Brüderbewegung
„Erwartungsvoll reiste Darby nach Schottland. In Row stieß er auf einen Kreis, der mitten im Enthusiasmus einer Erweckung lebte. Die Mitglieder dieses Kreises berichteten ihm von Glaubensheilungen; sie sprachen in andern Zungen und hatten nach ihrer Überzeugung verschiedene Geistesgaben empfangen. Doch die Erscheinungen in Schottland entsprachen nicht den Vorstellungen Darbys von der Gegenwart des Heiligen Geistes. Er wandte sich ganz entschieden von diesen Kreisen, die dann wesentlich zur Entstehung der Katholisch-apostolischen Gemeinden (s. Seite 244 ff.) beigetragen haben, ab. Er konnte in den enthusiastischen Erscheinungen keinen Sinn sehen. „Zu Pfingsten“, so schrieb er einmal, <wurden die Sprachen von allen, die Zungen der Irvingianer dagegen von keinem verstanden.>“ 4b)
© Lutz Jusko
Quellen:
1) Fragen & Antworten über den neuapostolischen Glauben, Neuapostolische Kirche International, Zürich, 1992, (ehem. Katechismus der NAK)
1a) ebenda S. 84
1b) ebenda S. 102
2) Göttliche Verheißungen und ihre Erfüllungen, Neuapostolische Kirche- Internattionaler Apostelbund, Zürich, 1982, S. 17
3) Kommentar zur Bibel, Donald Guthrie, J. Alec Motyer, 1998, 3a) S. 890 ; 3b) S. 874
4) neben den Kirchen, Rüdiger Hauth (Hrsg.), 1995, 4a) S. 245; 4b) S. 37
5) Seher Grübler Enthusiasten, Kurt Hutten, 1997, S. 2
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