In Bezug auf die Sukzession, die ununterbrochene Nachfolge der neuapostolischen Stammapostel, ergeben sich viele Fragen. Nach neuapostolischer Auffassung offenbart Gott durch besondere Zeugnisse den jeweils nächsten Stammapostel: „Aus der Schar der Apostel wird jener Apostel in das Stammapostelamt gerufen, der durch besondere Zeugnisse von Gott dem amtierenden Stammapostel bzw. dem Kreis der Apostel offenbart wurde.“ (29)
Wie sehen diese Zeugnisse oder Offenbarungen aus? Sind es Gesichte, Träume, Visionen, Erscheinungen oder Eingebungen des Amtsvorgängers oder der Apostel? Im Großen und Ganzen schweigt die neuapostolische Literatur darüber, wie die einzelnen Stammapostel von Gott ‚offenbart‘ wurden. Fakt ist, dass der Stammapostel entweder von seinem Amtsvorgänger eingesetzt wird, oder, wenn dies nicht möglich ist, wird er von einer Apostelversammlung gewählt: „Der Stammapostel wird durch seinen jeweiligen Vorgänger berufen (Art. 4.7.9.). Fehlt eine solche Berufung oder wurde der Stammapostel abgewählt, so wird der Stammapostel durch die Bezirksapostelversammlung (Art. 5.) oder die Apostelversammlung (Art. 6.) aus dem Kreis der Bezirksapostel, Bezirksapostelhelfer und Apostel gewählt.“ (30)
Im Zusammenhang mit der Berufung der einzelnen Stammapostel gibt es einige Kuriositäten, die es wert sind, einmal betrachtet zu werden:
Man muss sich die Frage stellen, warum es eine Zeit von etwa 1900 Jahren in der Kirchengeschichte gab, in der Gott keine Stammapostel gegeben hat. Ebenso, wie es in dieser Zeit keine echten Apostel Jesu Christi gab, gab es auch keinen Stammapostel. Wusste der erste ‚Stammapostel Petrus‘ nicht, dass er eigentlich einen Nachfolger hätte berufen müssen? Oder gab es doch eine solche Sukzession? Dann muss man allerdings annehmen, dass eine der orthodoxen Kirchen oder die katholische Kirche in der echten Sukzession des Petrus steht.
Somit wäre die Neuapostolische Kirche eine Neugründung neben der vermeintlich echten Kirche und könnte sich nicht darauf berufen, das „wiederaufgerichtete Erlösungswerk des Herrn zu sein“ (31), weil die eigentliche Kirche Christi nie aufgehört hätte zu existieren. Die Neuapostolische Kirche geht aber davon aus, dass es einen Zeitraum gegeben hat, in der die wahre Kirche des Herrn nicht existiert habe. Sehr interessant ist die Erklärung, warum dies so gewesen sei:
„Dass die Wirksamkeit der Apostel unterbrochen wurde, hatte seine Ursachen in dem Verhalten der damaligen Gläubigen (die Gläubigen der Urkirche, Anm. d. Verf.) Jesus hatte in seinem Sendschreiben laut Offenbarung 2,4.5 gemahnt und gewarnt mit den Worten ,Ich habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässest. Gedenke wovon du gefallen bist, und tue Buße und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich dir bald kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Buße tust.‘ Unter dem Leuchter ist die Gemeinde mit dem Apostelamt zu verstehen“ (32)
Der Gläubige der frühchristlichen Gemeinde ist also schuld daran, dass es in der Folge keine Apostel- und Stammapostel-Berufungen mehr gegeben hat! Warum mit dem Leuchter „die Gemeinde mit dem Apostelamt“ zu verstehen sein soll, wird nicht erklärt und ergibt sich wohl eher aus der Erklärungsnot der NAK in Bezug auf die sog. apostellose Zeit als auf eine gründliche Bibelauslegung. Eine ebenso kraftlose und wenig überzeugende Erklärung gibt der amtierende Stammapostel Dr. Wilhelm Leber zu Protokoll: „Das Evangelium musste zunächst einige Jahrhunderte verbreitet werden, sodass das Christentum weltweite Bedeutung bekam. Dafür war das Apostelamt nicht notwendig.“ (33)
Das neuapostolische Apostelamt und insbesondere das Stammapostelamt fanden keine Anerkennung unter den Vorläufer-Gemeinschaften der Neuapostolischen Kirche. Allgemein wird die katholisch-apostolische Bewegung von der Neuapostolischen Kirche als eine von Gott gewirkte Einrichtung ebenso anerkannt wie die Apostel der Katholisch-apostolischen Kirche. Wenn denn die Apostel der KaK echte Apostel Jesu Christi gewesen sind, warum haben sie dann unter der Leitung des Heiligen Geistes die neu berufenen Apostel und die Aufrichtung des Stammapostelamtes nicht anerkannt, warum haben sie sich diesem ‚neuen Petrus“ nicht‘ untergeordnet? So schrieben die Apostel der neuen Ordnung dem letzten Apostel der Katholisch-apostolischen Kirche Woodhouse einen Brief unter anderem mit folgendem Inhalt: „Weil wir Sie für einen von Jesus gesandten Apostel halten, wie wir aber auch uns für solche ansehen, die, nach dem Willen Gottes vereint, mit Ihnen das Werk des Herrn bis zur Vollendung treiben sollen“ (34)
Dieser Brief blieb vom katholisch-apostolischen Apostel Woodhouse unbeantwortet. Führende Ämter und Propheten der Hersteld Apostolische Zendingkerk – dem holländischen Zweig der Allgemeinen christlichen apostolischen Mission – verweigerten Fritz Krebs die Gefolgschaft: „Die Propheten der Hersteld Apostolischen Zendingkerk verkündeten, dass der Satan in ‚Ephraim‘ (gemeint ist das norddeutsche Arbeitsgebiet des Apostels Krebs, Anm. d. Verf.) gefahren und der Heilige Geist von Krebs genommen worden sei. Für sie galt fortan die Neuapostolische Kirche als ‚antichristliche Sekte‘, in der sich die Weissagung von 2. Petr. 2, 1,3 erfüllt hat.“ (35)
„Ich bin der Letzte. Nach mir kommt keiner mehr.“ (36)
„Der Herr kommt zu meiner Lebzeit um die Seinen zu sich zu nehmen.‘ So verkündigte er in jenem Weihnachtsgottesdienst 1951 in Gießen. Er verkündigte es nicht als einen eigenen Einfall, sondern als eine Offenbarung, die er vom Herrn empfangen habe. Der Sohn Gottes selbst sei ihm begegnet, sagte er, und was der Herr verheißen habe, müsse sich erfüllen. Wie könnte er lügen? Mir ist vom Herrn die Zusage gegeben, dass ich nicht sterbe‘, versicherte er unzählige Male. Den Zweiflern entgegnete er: ‚Ich wünsche nur das Eine, dass alle diese Zweifler so lange leben, bis der Tag des Herrn kommt. Dann werden sie sehen, welche Ernte ihnen der Zweifel eingebracht hat.‘“ (37)
„Am 12. September 1954 sagte der Stammapostel in Stuttgart: ‚Ich bin mir doch bewusst, wenn ich sterben würde – was nicht der Fall sein wird – dann wäre Gottes Werk vernichtet.‘“ (38)
Das sind die Worte des Stammapostels Bischoffs. Am 6. Juli 1960 starb Johann Gottfried Bischoff in Karlsruhe! Nach den Worten dieses Stammapostels, der vermeintlich eine prophetische Gabe besaß, war er der letzte Stammapostel, offensichtlich hat er sich geirrt!
Wenig Beachtung findet im Zusammenhang mit dieser sog. Botschaft des Stammapostels Bischoff die sehr interessante Tatsache, dass es schon zu Lebzeiten des Stammapostels Bischoff einen weiteren Stammapostel der Neuapostolischen Kirche gab. Am 21.05.1948 wurde Peter Kuhlen zum Nachfolger J.G. Bischoffs in einer geheimen Wahl einstimmig gewählt.
Am 01.08.1948 erfolgte die Ordination von Apostel Kuhlen als Nachfolger im Stammapostelamt mit den Worten: „Im Namen und Auftrag des Apostelkollegiums nimm hin das Stammapostelamt, dazu den Amtsgeist im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes! Dieser Geist macht in dir das Amt lebendig;“
So ist Apostel Peter Kuhlen ins Stammapostelamt und nicht ins Stammapostelhelferamt ordiniert worden! (39)
1950, nur zwei Jahre später, behauptete Stammapostel Bischoff durch seinen Redakteur Erich Meier-Gewecke, dass: „Ihm, der Herr noch keinen gezeigt hat, der das Gottesvolk auf Erden nach ihm weiterführen solle“ (40)
Der Stammapostel Peter Kuhlen selbst zweifelte die sog. Botschaft nicht an. Trotzdem wurde er 1954 aus der Neuapostolischen Kirche exkommuniziert. Peter Kuhlen wurde exkommuniziert, da er diese sog. Botschaft nicht mit genug Nachdruck predigte und sie nicht zum Dogma erheben wollte.
Dass sich der Stammapostel Bischoff irrte, möchte die Neuapostolische Kirche bis heute nicht wahrhaben. Früher hieß es: „Wir stehen deshalb vor dem unerforschlichen Ratschluss unsres Gottes und fragen uns, warum er seinen Willen geändert hat.“ (41)
Neuere Formulierungen von Stammapostel Wilhelm Leber lauten so: „Dass sich die Vorhersage von Stammapostel Bischoff nicht erfüllt hat, bleibt für mich eine ungeklärte Frage. … Über die wahren Zusammenhänge möchte ich kein abschließendes Urteil fällen. Vielleicht hat der Stammapostel Bischoff etwas falsch gedeutet, oder es wurden Bedingungen genannt, die wir nicht kennen.“ (42)
Man sollte meinen, dass die Neuapostolische Kirche nach dem Tod des Stammapostels Bischoff, der prophetisch die Wiederkunft Christi zu seinen Lebzeiten angekündigt hatte und dann doch starb, wenigstens eine Zeit innehält und das Geschehene beurteilt. Doch hastig wählt man gegen die bestehende Satzung am 07.07.1960, nur einen Tag nach dem Tode J.G. Bischoffs, durch Zuruf einen Nachfolger: Walter Schmidt. Man erinnerte sich nicht an den exkommunizierten Stammapostel Peter Kuhlen!
Als Mitglied der Neuapostolischen Kirche ist man der Auffassung, dass die Auswahl der Amtsträger und insbesondere der Apostel und des Stammapostels mit göttlichen Zeugnissen und unter Leitung des Heiligen Geistes in großer Würde, Verantwortung und Einmütigkeit geschieht. Grabenkämpfe, Machtansprüche und dergleichen sind eigentlich nicht vorstellbar. So heißt es doch: „Aus der Schar der Apostel wird jener Apostel in das Stammapostelamt gerufen, der durch besondere Zeugnisse von Gott dem amtierenden Stammapostel bzw. dem Kreis der Apostel offenbart wurde.“ (43)
Dass die Realität anders aussieht, beweist die Wahl des Stammapostels Urwyler im Jahre 1978. Die Neuapostolische Kirche behauptet: „Hans Urwyler vom Herrn und im Einssein aller Apostel zu seinem Nachfolger berufen.“ (44)
Tatsächlich soll sich jedoch Anderes zugetragen haben: „Nach § 9 der Statuten des Internationalen Apostelbundes wird der Stammapostel mit 3/4 Mehrheit gewählt (gemäß der gültigen Statuten des Internationalen Apostelbundes im Jahre 1978, Anm. d. Verf.). … Stammapostel Urwyler erhielt bei seiner Wahl zum Stammapostel (am 18.11.1978, Anm. d. Verf.) in den ersten Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit. Die Stimmen verteilten sich auf drei Männer (Urwyler 66/88, Rockenfelder 18, Kühnle 10). Durch einen Trick wurde letztlich Einvernehmen erzielt. Bez. Ap. Kraus drohte zeitweilig mit Abspaltung, falls ein Deutscher Stammapostel würde.“ (45)
Auch bei der Ordination von Stammapostel Richard Fehr soll es Unregelmäßigkeiten gegeben haben: „Tatsache ist, dass Hermann Engelauf bei der recht ‚eigentümlichen‘ Amtseinsetzung von R. Fehr in Bern, nicht zugegen war. Dafür Fehrs Erzfeind Kraus, der von Kanada aus die Geschicke der weltweiten NAK übernehmen wollte. Aber Kraus schaffte es bis zur letzten Minute nicht, sich unter den dienstältesten Bezirksaposteln Fernandes, Higelin, Steinweg und Kühnle eine entsprechende Mehrheit zu verschaffen. Als Bezirksapostel Engelauf sein Kommen nach Bern absagte, musste Kraus seine Niederlage eingestehen. Nach den damaligen NAKI Statuten hätte R. Fehr gar nicht in Bern zum Stammapostel ausgesondert werden dürfen, wie in offiziellen NAK Verlautbarungen veröffentlicht, sondern hätte sich einer ordentlich einberufenen Bezirksapostelversammlung stellen müssen.
Tatsache ist, dass Richard Fehr der weltweiten neuapostolischen Öffentlichkeit am 22. Mai 1988 als neuer Leiter und Stammapostel der NAK in einem feierlichen Gottesdienst zu Pfingsten vorgestellt wurde. Er hatte sich, so in öffentlichen Statements aus NAK und NAKI Kreisen verlautbart, die Hand des todkranken Hans Urwylers auflegen lassen, während Bezirksapostel Steinweg die Aussonderungsworte sprach: Nimm hin das Stammapostelamt. Erst nach dem Pfingstgottesdienst bestätige eine eilig einberufene Bezirksapostelversammlung Fehrs Amtsauftrag.
Was sollten die Bezirksapostel auch anders machen? Hätten sie gegen Fehr gestimmt, die Blamage der NAK KL (KL = Kirchenleitung, Anm. d. Verf.) wäre riesengroß gewesen. Bezirksapostel Engelauf, der immer wieder hartnäckig genannt wird, bei der Amtseinsetzung von Fehr in Bern zugegen gewesen zu sein, war definitiv in Bern nicht anwesend. Nach mir vorliegenden Recherchen, war H. Urwyler, der am 3. Mai 1988 bereits halbseitig gelähmt war, der gar nicht mehr reden konnte und der sich von seinem Schlaganfall nie mehr erholte, nicht einmal in der Lage, seine Finger zu bewegen, geschweige seinen Arm zu heben. Hans Urwyler lag, wie mir Zeitzeugen berichteten, am 3. Mai 1988 im Wachkoma.“ (46)
Die Neuapostolische Kirche muss sich die Frage gefallen lassen, wie und wodurch Gott Zeugnisse in Bezug auf den Nachfolger des jeweiligen Stammapostels wirkt und Friedrich Krebs hat sich selbst zum Stammapostel erhoben, Stammapostel Kuhlen wurde exkommuniziert und später nicht berücksichtigt, als der Stammapostel Bischoff, der die Botschaft hatte, er würde nicht sterben, bevor Jesus käme, doch starb.
Stammapostel Schmidt wurde statutenwidrig per Zuruf nur einen Tag nach Stammapostel Bischoffs Tod gewählt. Gegen den massiven Widerstand einiger Apostel wurde Stammapostel Urwyler nicht einstimmig gewählt Stammapostel Fehr wurde statutenwidrig auf kuriose Weise von einem im Koma liegenden Stammapostel Urwyler ordiniert. Man braucht schon sehr viel Glauben, um in diesen Gegebenheiten und Ereignissen die Führung Gottes und die Leitung des Heiligen Geistes zu erkennen. Unter anderem deshalb werden die Gläubigen in der Regel über die tatsächlichen Sachverhalte im Unklaren gelassen.
Bis in die jüngere Vergangenheit hinein galt der Stammapostel als unfehlbar. Seine Aussagen, sein Handeln hatten göttlichen Charakter und waren verbindlicher Maßstab zur Beurteilung und zum Handeln des Einzelnen: „Ihm (dem Stammapostel, Anm. d. Verf.) nicht restlos zu vertrauen und seinem Worte nur in Gedanken widerstehen zu wollen heißt, sich wider den Sohn Gottes zu versündigen.“ (47)
Der ehemalige Redakteur der ‚Neuapostolischen Rundschau‘ K.W. Mütschele schreibt kritisch: „Jede Verirrung hat einen Anfangspunkt. Dieser Punkt liegt in der Annahme, dass die Apostel genannten Männer der letzten Zeit unter allen Umständen die Autorität sind und souverän über der Bibel und ihren Lehren stehen. Also die päpstliche Irrlehre: Was die Apostel (und der Stammapostel, Anm. d. Verf.) lehren, ist unfehlbar. Ihre Auslegung der Bibel und ihrer Zeugnisse ist allein maßgebend. Prüfungsrecht gibt es nicht“ (48)
Stammapostel Schmidt äußert sich nach dem Tod von J.G. Bischoff wie folgt: „Wir stehen deshalb vor dem unerforschlichen Ratschluss unseres Gottes und fragen uns, warum er seinen Willen geändert hat. Der Stammapostel, der das Erlösungswerk des Herrn auf den höchsten Stand der Vollendung gebracht hat und dadurch die Kinder Gottes in einem unerschütterlichen Glauben an sein Wort fesselte, kann sich nicht geirrt haben“ (49)
Der Stammapostel Bischoff kann sich nicht geirrt haben (Unfehlbarkeit). Es kann nicht sein, was nicht sein darf! Deshalb muss Gott seinen Willen geändert haben. Auch Stammapostel Fehr hat seine Probleme mit Kritik. In einem Gottesdienst verliest er eine Stellungnahme zu Vorwürfen gegen die Lehre und Glaubenspraxis der Neuapostolischen Kirche und kommentiert dies am Ende zusätzlich mit den Worten: „Wir lassen uns nicht auf die Anklagebank setzen!“ (50)
Ein wenig später ergänzt er seine Aussagen diesbezüglich: „Und manch einer meint, er wisse dies und jenes besser als die Apostel und der Stammapostel – auch das kommt vor. Das alles sind Zeichen der letzten Zeit.“ (51)
Erst in den letzten Jahren setzt ein Umdenken ein. So äußerte sich Stammapostel Wilhelm Leber in einem Interview wie folgt: „Herr Leber, sind sie unfehlbar?“ „Nein, ich habe keinerlei Ansprüche dieser Art.“ (52)
Offenbar wird dieser nun nicht mehr vorhandene Absolutheitsanspruch des Stammapostels und der Kirchenleitung unter den Gemeindemitgliedern und Amtsträgern nicht so wahrgenommen. Insbesondere immer dann, wenn es zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten kommt ist der ‚gefühlte‘ oder wahrgenommene Absolutheitsanspruch des Stammapostels noch immer vorhanden: „Der Stammapostel sagte in einem Interview, dass auch er (und die Apostel) nicht unfehlbar wäre(n). Doch sobald ein untergeordneter Amtsträger oder gar ein einfaches Gemeindemitglied solche möglichen Fehler sieht und anspricht, vor allem in theologischer Hinsicht, kommt sofort die Keule: Wir, die KL (Kirchenleitung, Anm. d. Verf.) haben in allem Recht, sind von Gott gesetzt und haben es nicht nötig, uns von irgendjemandem belehren zu lassen. > Also doch eine Art ‚Unfehlbarkeit‘.“ (53)
Trotz aller anderslautenden offiziellen Stellungnahmen ergibt sich letztlich auch aus der vorhandenen Lehrautorität, verbunden mit dem ‚nötigen Amtsvermögen‘ des Stammapostels der faktisch immer noch vorhandene Absolutheitsanspruch und damit die Unfehlbarkeit des Stammapostels. Leider gehen hier die Realität der Glaubenspraxis und die offiziellen Verlautbarungen der Neuapostolischen Kirche unterschiedliche Wege.
Nicht nur aus diesem Grund sind viele der Auffassung, dass die vermeintlichen Reformen der letzten Jahre nur der besseren Selbstdarstellung nach außen dienen. Nach innen hat sich praktisch nichts geändert. Auch wir meinen, die teilweise Umformulierung einzelner Lehrsätze dienen dazu, die Neuapostolische Kirche in der nicht neuapostolischen Öffentlichkeit harmloser und weniger exklusiv erscheinen zu lassen. Man möchte als eine der vielen christlichen Freikirchen wahrgenommen werden.
Wie weit der neuapostolische Stammapostel und die Apostel damit vom biblischen Vorbild entfernt sind, wird deutlich, wenn man sich einige neutestamentliche Aussagen dazu anschaut: Wie oben schon erwähnt, ist Petrus alles andere als unfehlbar, er wird von Paulus öffentlich gerügt: „Als aber Petrus nach Antiochia kam, widerstand ich (Paulus, Anm. d. Verf.) ihm ins Angesicht, denn er war im Unrecht.“ (Gal 2, 11) Auch Paulus betrachtete sich nicht als vollkommen. So schreibt er: „Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das verübe ich.“ – Röm. 7, 19
So mahnt nicht nur der Apostel Paulus an, zu prüfen: „Diese (Christen in Beröa, Anm. d. Verf.) aber waren edler gesinnt als die in Thessalonich und nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf; und sie forschten täglich in der Schrift, ob es sich so verhalte.“ – Apg. 17, 11
Sondern auch der Apostel Johannes ermahnt: „Geliebte, glaubt nicht jedem Geist, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind! Denn es sind viele falsche Propheten in die Welt ausgegangen.“– Joh. 4, 1
Dieses Wort eines echten Apostels Jesu wird uns nun konkreter beschäftigen.
Weiterlesen: Falsche Propheten
© Lutz Jusko
Quellen:
29) Neuapostolische Kirche International, a. a. O., Frage 177, S. 82
30) Statuten der Neuapostolischen Kirche International, Artikel 4.1, Johannesburg, 2002
31) Neuapostolische Kirche International, a. a. O., Frage 167, S. 77
32) Neuapostolische Kirche International, a. a. O., Frage 146, S. 67
33) Stap. Wilhelm Leber, ideaSpektrum Nr. 25/2006, Interview mit dem Stammapostel – „Von anderen Kirchen können wir viel lernen“, Wetzlar, 21. Juni 2006, S. 15
34) Helmut Obst, Apostel und Propheten der Neuzeit, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2000, S. 86
35) Hutten, a. a. O., S. 498
36) J.G. Bischoff, Gottesdienst, Gießen, 24.12.1951, zitiert nach: K. E. Siegel, Die Botschaft von Stammapostel Bischoff, Selbstverlag, Stuttgart, 1991-1993, S. 5
37) Kurt Hutten, Ein Brief an die Neuapostolischen – Die “Stunde X” ist gekommen…, Quell-Verlag der Evangelischen Gesellschaft, Stuttgart, 1960, S. 1
38) a. a. O. S. 2
39) Dr. med. Erwin Meier-Widmer, Chronologie der Aera Johann Gottfried Bischoff mit Bezug zu den Ereignissen und Fehlentscheidungen in der Neuapostolischen Kirche, Schaffhausen, 1998
40) Kalender „Unsere Familie 1951, Seite 35, Druck 1950, zitiert nach: Vereinigung der Apostolischen Gemeinden in Europa, Nachdenkliches über die Botschaft des Stammapostels J. G. Bischoff: „Ich sterbe nicht, der Herr Jesus kommt noch zu meiner Lebzeit wieder?
41) Brief der Apostel an die Gemeinden, verlesen am 10 Juli 1960, o.O., zitiert nach: Obst a. a. O., S. 112
42) Stap. Wilhelm Leber, a. a. O. , S. 15
43) Neuapostolische Kirche International, a. a. O., Frage 177, S. 82
44) Neuapostolische Familie 1989 Nr. 1, S. 17, zitiert nach: Horst Hartmann, In der Welt aber nicht von der Welt – Die Gotteskinder der Neuapostolischen Kirche, Libri Books on Demand, o. O., 2000, S. 28
45) S. Dannwolf, J. Gerbert, B. Stöhr, Raus aus dem Bann Verlag Lachesis, Stuttgart, 1995, Seite 35
46) AlexanderZH, Aussteiger Forum Quo-Vadis-NAK, Thema: Was geschah wirklich am 3. Mai 1988 in Bern?,17.03.2009, http://quo-vadis-nak.foren-city.de/topic,3149,-was-geschah-wirklich-am-3-mai-1988-in-bern.html
47) J.G. Bischoff (Hrsg), Wächterstimmen, Friedrich Bischoff Verlag, Frankfurt/Main, 01.10.1949, zitiert nach: Apostolischen Gemeinschaft e.V. und die Vereinigung Apostolischer Christen, Geschichtlicher Rückblick auf die Entwicklung des Stammapostelamtes, Luzern, 1975, S. 6
48) Aufklärungsschrift Nr. 1 über die reformatorische Bewegung in den Neuapostolischen Gemeinden, o.O., o.J., S. 8; zitiert nach: Obst a. a. O., S. 100
49) Stap. Walter Schmidt, Brief als Reaktion auf den Tod von J.G. Bischoff, 07.07.1960, zitiert nach: Detlef Streich, Konstruktive Merkmale der Neuapostolischen Kirche, Aktualisierte Fassung, Göppingen, Mai 2006, S. 2350) Stap. Richard Fehr, Gottesdienst, Nuertingen, 10.12.1995, zitiert nach: Erwin-Meier-Widmer, Brief an den Stammapostel, Schaffhausen, 4.9.1996
51) Stap. Richard Fehr, Gottesdienst, Krefeld, 06. 04. 1997, Unsere Familie, 20.07.1997, zitiert nach: Detlef Streich, Konstruktive Merkmale der Neuapostolischen Kirche, Aktualisierte Fassung, Göppingen, Mai 2006, S. 27
52) Stap. Wilhelm Leber, ideaSpektrum Nr. 25/2006, Interview mit dem Stammapostel – „Von anderen Kirchen können wir viel lernen“, Wetzlar, 21. Juni 2006, S. 15
53) Gerlinde Bodtke, Leser Kommentar zum Thema ,Hamburg-Blankenese: Der Brief an Stammapostel Leber, 2004.2007, siehe auf www.mediasinres.net,
http://www.mediasinres.net/aktuelles-geschehen/hamburgblankenese-der-brief-an-stammapostel-leber
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