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Neuapostolische Kirche Kritik: Die Geschichte der Neuapostolischen Kirche NAK, Fritz Krebs und die Einrichtung des Stammapostolats

Neuapostolische Kirche Kritik
Geschichte der NAK – Fritz Krebs

Fritz Krebs und die Einrichtung des Stammapostolats

Fritz Krebs (40) ist derjenige Mann, der das Stammapostolat eingeführt hat. Er wurde 1832 in dem Ort Elend im Harz geboren und ist in dem Ort Not in die Schule gegangen – Namen, die er immer wieder für Wortspiele gebrauchte, um seine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen humorvoll zu illustrieren. Er war Bahnwärter und kam durch seinen Kollegen Fischer im Jahre 1865 zur Neuapostolischen Lehre. 1866 wurde er Priester. 1879 übertrug ihm der Apostel Menkhoff das Bischofsamt. Schon bald darauf, 1881, wurde er zum Apostel ordiniert.

Fritz Krebs verfolgte drei Ziele:

  • Den engen organisatorischen und lehrmäßigen Zusammenschluss der Gemeinden;
  • Die Ausschaltung des Einflusses der Propheten;
  • Die Beseitigung des Kollegialitätsprinzips unter den Aposteln.

Diese Ziele erreichte er im Laufe seiner Amtszeit als Apostel und Stammapostel, da er immer einflussreicher wurde. Wir haben ja bereits von den Auseinandersetzungen in Hamburg im Jahre 1878 gehört. Als dann 1895 die Apostel Menkhoff und Schwarz gestorben waren, konnte er an die Spitze der Neuapostolischen Bewegung treten.

Dieser Wechsel ging allerdings nicht reibungslos vor sich. Schwarz hatte in seinem Testament festgelegt, dass sein Nachfolger nach einer Trauerzeit von 12 Wochen bestimmt werden dürfe. Was tat nun Krebs, um seine Machtposition auszubauen? Er verlängerte die Trauerzeit für Schwarz auf 1 Jahr und setzte in Holland, in dem damals noch größten Apostelbezirk, den ihm wohlgesonnenen und ergebenen Ältesten Jakob Kofmann als Apostel dieses Bezirks ein. Kofmann versuchte, die Gemeinden in Holland auf die Linie von Krebs festzulegen, was ihm aber nur teilweise gelang.

Den Holländern gefiel nicht, dass Krebs die Propheten ausschalten wollte und dass alles von Deutschland her berufen und entschieden werden sollte. Hierzu heißt es z. B. in der Biografie über Krebs von neuapostolischer Seite:

„Nicht selten kam es vor, dass solche ‘Parlamentarier’ [damit sind `anmaßende Propheten` gemeint, wie es hier auch heißt] während der Gottesdienste, die der Apostel hielt, Zwischenbemerkungen machten oder sogar den Apostel wegen seiner Worte nach Beendigung des Dienstes zur Rechenschaft zu ziehen versuchten. Leider stand ein Großteil der Gemeindemitglieder auf ihrer Seite.“ (41)

In Holland herrschte also beim Amtsantritt von Krebs als Oberhaupt der Apostel ein großer Aufruhr. Und die Mehrheit der dortigen Glieder fiel dann auch von Krebs und seiner Gefolgschaft ab. Mit der Berufung Kofmanns als Verwalter für Holland waren viele nicht einverstanden. Als nun Niehaus, der auch bereits Apostel war (der spätere Nachfolger von Krebs im Stammapostelamt) in Amsterdam weilte, wurde dieser Aufruhr offensichtlich. Es wurde der Vorwurf laut, dass die Apostel in letzter Zeit ohne prophetische Beauftragung eingesetzt worden waren und dass man sich damit nicht abfinden würde. Außerdem sagte man, dass Krebs in einem Artikel die Bibel abgewertet hätte gegenüber dem „neuen, lebendigen Apostelwort“. Krebs hatte geschrieben:

„Reicht ihnen das zeitgemäße Wort Gottes. … Gebt ihnen nicht das minderwertige Futter aus alter Zeit, sondern das frische Grün von heute. Auch gebt den Schafen frisches Wasser, kein abgestandenes Pumpwasser, sondern lebendiges Brunnenwasser.“ (42)

Die Gegner von Krebs sahen darin einen Gegensatz zwischen dem Wort der neuen Apostel und dem Wort der Bibel, was jedoch von Krebs abgestritten wurde.

Der Oppositionsführer in Holland war der Diakon Martinus van Bemmel aus Amsterdam, der durch einen Propheten der Amsterdamer Gemeinde zum Apostel von Juda berufen wurde. Juda sollte also mit Holland identisch sein. Bemmel drohte allen, die die Einheit unter Krebs anstreben wollten, mit dem Ausschluss. Es war also eine große Front aufgerichtet. Der Weg zum Stammapostel, zur absoluten monarchischen Führung war für Krebs nicht so leicht, sondern ging über viele Spaltungen; denn die Unterordnung unter eine Führungsgestalt ist nicht so einfach.

In der Krebs-Biografie werden diese Begebenheiten aus neuapostolischer Sicht wie folgt dargestellt:

„Natürlich blieben Apostel Krebs diese Machenschaften nicht verborgen, und so entschloss er sich nunmehr zu durchgreifenden Maßnahmen. In einem offiziellen Schreiben vom 28. Februar 1897 teilte er Martinus van Bemmel die Enthebung aus dem Apostelamt mit. Aber dieser Mann hatte es verstanden, viele auf seine Seite zu ziehen. Der größte Teil der Amsterdamer Gemeinde hielt zu ihm. Die Abgefallenen nannten sich von da an ´Hersteld Apostolische Zendingsgemeente`, während die treu Gebliebenen, die sich um Stammbischof Kofman scharten, zur Unterscheidung den Namen ´Hersteld Apostolische Zendingsgemeente en de Eenheid der Apostelen en Nederland and Kolonien` annahmen.“ (43)

1898 ernannte Krebs Jakob Kofman zum Stammbischof und schließlich zum Apostel des Stammes Juda. Es gab nunmehr also zwei Apostel des Stammes Juda, Martinus van Bemmel und Jakob Kofmann in den jeweiligen sogenannten Kirchen.

Die offizielle Stunde des Stammapostolats, wie es heute noch vorhanden ist, schlug an Pfingsten 1897. Es hatte auch bei den Katholisch-Apostolischen Stammapostel gegeben, aber diese Bezeichnung hatte man so verstanden, dass jeder der zwölf Apostel einem Stamm zugeteilt war (dem Stamm Juda, dem Stamm Ephraim usw.), also verteilt auf die Weltkugel. Jetzt aber hat man das Stammapostolat uminterpretiert. Es bedeutete nicht mehr: „Jeder hat einen Volksstamm“, sondern nun war der Baumstamm gemeint, von dem alle anderen Zweige und Äste abhängen. Jeder muss nun an den „Lebensstrom des Stammapostels“ angeschlossen sein, der als der Träger des Heiligen Geistes in seiner Vollgewalt gilt.

„Stammapostolat“ hieß nun, dass das monarchische Führungsprinzip eingeführt wurde. So schreibt etwa Helmut Obst in seiner Darstellung der neuen Apostel und Propheten: „Die Neuapostolische Gemeinschaft erhielt durch Fritz Krebs ihr ‘Papsttum’.“ Und dieser „Einheitsvater“, wie man Krebs auch nannte, bewirkte nun „den Durchbruch zu dynamischem Breitenwachstum“. (44) Die Abspaltungen machten nicht viel aus, sondern nun war eine straffe Organisation, eine Hierarchie eingeführt.

Der Sektenexperte Kurt Hutten überschreibt ein Kapitel über die neuen Propheten und Apostel: „Unter den Fittichen des vollmächtigen Amtes“. (45) Das zieht viele Menschen an, dass sie unter den Fittichen eines Einheitsvaters, eines scheinbar vollmächtigen Amtsträgers stehen, der die heilsame Rettung garantiert, indem er den Heiligen Geist „kanalisiert“. Solche Vorstellungen magischer Art gibt es ja nicht nur in der Neuapostolischen Kirche.

Am Pfingstfest 1897 also wurde das Stammapostolat eingeführt. Fritz Krebs eröffnete und leitete den Gottesdienst und stellte ihn unter das Bibelwort: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ (2. Mose 20, 3). Nur ein Gott – und nur ein Haupt in der Familie, im Staat, in der Kirche – das wurde von Krebs parallel gesetzt. Und dieses eine Haupt sei nun eben der Stammapostel. Die Predigt hielt seine „rechte Hand“, sein späterer Nachfolger im Stammapostelamt, Hermann Niehaus. Niehaus sagte:

„Gott will, dass alle Herzen und Augen auf ihn, den Einen, Wahrhaftigen, gerichtet sein sollen, der keine Nebengötter duldet. So wurde das Volk Israel, zu welchem zuerst diese Worte gesprochen wurden, als eine Einheit, als ein Leib bezeichnet. Das eine sichtbare Haupt dieses Leibes war Mose … Christus ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, in ihm gipfelt die Einheit seines Leibes. Da aber die Gemeinde als ein Körper sichtbar ist, so ist auch das Haupt sichtbar in dem gesandten Apostelamte, worin die Einheit der Gemeinde offenbar wird, in dem Jesus sich repräsentiert.“ (46)

Niehaus führte in diesem Zusammenhang den Vergleich an, dass der Mann das Haupt in der Familie sei. Wenn dort Ordnung und Einheit herrschen sollen, so müsse der Mann das Haupt aller sein. „Wollen alle herrschen, dann ist Unordnung, Verwirrung und Untergang des Familienlebens die Folge davon. So wie im Familienleben, so ist es auch im Kirchlichen.“ (47)

Nun blicken wir einmal auf die Familie von Krebs mit sechs Kindern. Ich zitiere aus der Krebs-Biografie der Neuapostolischen Kirche:

„Eine weitere, ganz persönliche Schwierigkeit hatte Friedrich Krebs in seinem eigenen Familienkreis zu bestehen. Weder seine Frau noch seine sechs Kinder wurden jemals neuapostolisch.“ (48)

Er selber äußerte sich darüber wie folgt:

„Außer der Presse im Natürlichen, worin ich in meiner Lehrzeit vollendet habe, stehe ich ohne Weib und Kind, ohne Verwandten, wo ich von diesem Lehrstuhle die (in der Welt) fremd gewordenen Sprüche ‘Liebe deinen Nächsten und trage in Geduld’ gründlich lernen musste. Unter all dieser gewaltigen Hand Gottes musste ich mich beugen, ob ich wollte oder nicht…“ (49)

Dann heißt es in der Biografie weiter:

„Bei mancher Heiligen Versiegelung mag er mit traurigem Herzen an die Seinen daheim gedacht und sich gefragt haben: Warum stehen nicht auch sie, meine vier Mädchen und zwei Buben mit ihrer Mutter vor dem Altar, um durch den Apostel den Heiligen Geist zu empfangen und Gotteskinder zu werden?“ (50)

Hier finden wir eine persönliche Tragik in seinem Leben – allerdings in scharfem Widerspruch zum Inhalt der oben zitierten Stammapostelrede.

Welchen Charakter besaß der Mann, der das neuapostolische Stammapostolat begründete? Vonseiten der Neuapostolischen wird er sehr besungen und umschwärmt, und von den Kritikern wird er sehr negativ beurteilt, was seine Person angeht. In der neuapostolischen Biografie heißt es: „Groß von Wuchs besaß er nicht nur große körperliche Kräfte, er war auch ein Mann, der kein Blatt vor den Mund nahm, wenn es ihm erforderlich erschien. Seine physische Kraft wurde nur noch von seiner seelischen übertroffen. Wie sonst hätte er all die Kämpfe und Anfeindungen, selbst im eigenen Familienkreis, die Enttäuschungen und Rückschläge und nicht zuletzt die vielen Anstrengungen, die mit seinem Amt verbunden waren, bestehen und verkraften können? Kühnheit und Tatkraft sind Eigenschaften, die gleichfalls sein Wesen kennzeichnen.“ (51)

Ähnliche Lobeshymnen finden sich auch in der „Geschichte der Neuapostolischen Kirche“. Da werden „seine alle anderen Apostel weit überragenden Gaben und Fähigkeiten“ gerühmt. „Die überwältigende Leistung des Stammapostels Krebs ermöglichte es, die Einheit des Werkes zu schaffen. Sie war die Ursache [und jetzt kommt eine Lüge; s.o.], dass er von allen ohne Vorbehalte als das sichtbare Haupt, als Stammapostel, anerkennt würde.“ (52) Von allen, außer von den vielen Ausgeschlossenen und Ausgetretenen.

Anders hört sich das Urteil des Kritikers Kurt Hutten an:

„Er war organisatorisch begabt und besaß Führungsqualitäten, aber er war auch herrschsüchtig und gewalttätig. Ihm und seinem Anhang passte Geyers kirchenfreundliche Einstellung nicht. Krebs hätte am liebsten alle ‘Schwarzröcke’ auf dem Scheiterhaufen verbrannt.“ Und im Zusammenhang mit dem oben beschriebenen Hamburger Konflikt heißt es: „Geyer wurde (von Krebs und dessen Anhängern) vorgeworfen, dass er die Gemeinschaft in die Landeskirche zurück predige. Von einer Flut von Schmähungen verfolgt, verließen er und seine Anhänger den ‘entheiligten Ort’, um ihn fortan nie wieder zu betreten.“ (53) Krebs strebte also zäh nach der Macht und hat seine Ziele auch tatsächlich erreicht, und zwar im Bund mit dem Kleinlandwirt Hermann Niehaus, seinem Nachfolger.

Hutten betont übrigens, dass die Neuapostolische Gemeinschaft eigentlich nicht 1863 geboren wurde. Die Abspaltung unter Geyer war ja noch nicht die Neuapostolische Kirche, sondern die neuapostolische Abspaltung ging erst als nächste Stufe aus dieser hervor. Eigentlich entstand erst mit dem Stammapostolat das, was man heute unter „Neuapostolischer Kirche“ versteht – dann, „als Krebs seine Konzeption durchgesetzt und mit deren Gegnern gebrochen hatte. Den Aposteln wurde nun, unter Ausschlußss aller andern Ämter, die exklusive Vollmacht der Heilsvermittlung zugeschrieben: ‘Die lebenden Apostel sind die Tore zum Reiche Gottes’.“ (54) Die Amtsbezeichnung „Stammapostel“ nahm Krebs bereits seit 1896 an. 1905 schaffte er, in seinem Todesjahr, endgültig das Prophetenamt ab.

Im Nachruf für Krebs von seinem Amtsnachfolger Niehaus wird etwas von der Menschenverherrlichung deutlich, die dem Stammapostel zuteil wird: „Es ist nicht so leicht, in die Nähe des von Gott gesandten Apostels zu kommen; denn er ist nicht mein Kollege, auch nicht mein Gespiele, auch nicht mein Bruder – sondern mein Herr und Meister! Ich schämte mich immer, wenn ich in seinen Briefen an mich lese, wo er sich ‘mein Bruder’ nennt und sich zu mir elendem Menschen erniedrigt … Weinend und flehend stand Vater Krebs vor seinem Gott für uns Menschen, und ein heißer Blutstrom Christi quoll aus seinem Munde … Das war kein Mensch mehr, der da sprach, das konnte nur Christus sein, wie Vater Krebs das auch beim Abendmahl vorbrachte: Das ist mein Fleisch, denn ich habe die Welt überwunden, obwohl ich noch lebe.“ (55)

Weiterlesen: Hermann Niehaus und die „Neuapostolische Gemeinde“



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